Geschichte

Ein weiser Vorschlag, den Kurt Tucholsky anbietet. Doch Geschichte studieren … wie funktioniert das? Jahreszahlen auswendig lernen? Herrscherdynastien aufsagen können? Nein – Geschichtsunterricht ist so viel mehr!

Unsere Schülerinnen und Schüler dürfen sich im Fach Geschichte immer wieder als Zeitdetektive betätigen. Sie tauchen ab in die Vergangenheit und lassen sich auf die faszinierende Arbeit mit ihr ein. Dabei ordnen sie zuvor erworbenes Wissen in immer größere, komplexere Zusammenhänge und schulen damit ihr vernetztes Denken. In offenen Unterrichtsphasen sowie im Projektunterricht haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, historische Spezialgebiete, die sie besonders interessieren, zu vertiefen oder sich durch historische Exkurse mutig auf gänzlich Unbekanntes einzulassen. Exkursionen und Veranstaltungen, wie zum Beispiel Zeitzeugengespräche, können eine sichtbare Brücke zwischen der Vergangenheit und der heutigen Lebenswelt bauen. So wächst bei den Schülerinnen und Schülern ein historisches Bewusstsein, das ihnen für ihre eigene Orientierung im Hier-Und-Jetzt hilft und mit dem sie sich auf den Weg zu kritisch denkenden, hinterfragenden, aber auch toleranten Bürgern machen können.  

„Nie wieder ist jetzt!“ - Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, wird in Deutschland der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Die Gedenkfeier für die ermordeten Neu-Ulmer, die nachmittags in der Aussegnungshalle des Friedhofs stattfand und durch das Münchner Klezmer Trio musikalisch umrahmt wurde, gestalteten dieses Jahr Schülerinnen und Schüler unseres Gymnasiums mit ihren Beiträgen. Nach einer Rede der Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger trugen Schülerinnen der Poetry-Slam AG (Christina Pizo (Q12), Louise Borck-Auzanneau (8c), Mila Borck-Auzanneau (8a), Anna Neuberger (8a), Hannah Senft (9a)) nachdenkliche und bewegende Texte zum Schicksal deportierter Jüdinnen und Juden vor. Die Stolpersteine in der Innenstadt erinnern an sie. Einer davon ist Josef Stern gewidmet, der von den Nazis deportiert und im KZ Majdanek ermordet wurde. Seine Biographie stellte Marc Ruedel (Q12) im Anschluss vor und betonte in seiner Rede, dass es nicht allein beim Erinnern an die Opfer bleiben dürfe, sondern damit auch die Aufforderung an uns verbunden ist, für Menschenrechte, den Schutz von Minderheiten und die freiheitliche Demokratie aktiv einzutreten, denn: „Nie wieder ist jetzt!“
Filmausschnitte der Gedenkfeier und die Rede gibt es auf unserem Instagram-Kanal (lessing_nu).

Bei der Abendveranstaltung „Frauen im Fokus – Verfolgung im Nationalsozialismus“ im Ulmer Stadthaus, beleuchtete der Kulturwissenschaftler Dr. Dietmar Sedlaczek in seinem Vortrag sowohl das NS-Frauenbild als auch die unterschiedlichen Gründe der Verfolgung von Frauen. Was die nationalsozialistische Politik für Frauen in Ulm und Neu-Ulm bedeutete, stellte der Arbeitskreis 27. Januar anhand von fünf Kurzbiografien vor. Jan Eberenz (Q12) trug hierbei die Biografie von Alice Stoss vor, die er gemeinsam mit Sören Ulshöfer (Q12) in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Neu-Ulm/Ulm und dem Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm erarbeitet hatte. Alice Stoss musste auch als jüdische Frau einer so genannten „privilegierten Mischehe“ - wie die zynische Bezeichnung der Nationalsozialisten lautete - unsägliche Bedrohungen, Anfeindungen und Benachteiligungen erleiden, überlebte die Shoah aber mit am Ende täglicher Furcht um ihr Leben.

Stefanie Helm und Thomas Kirschner

Rapper Ben Salomo am Lessing

Am 23.03. hatte die Oberstufe Besuch aus Berlin: Zu Gast war Ben Salomo, der sich mit der bis 2018 laufenden Show „Rap am Mittwoch“ deutschlandweit einen Namen gemacht hat. Gleich zu Beginn kündigte er an: „Meine Aufgabe heute ist es, eure Antennen [für den Antisemitismus] zu schärfen.“ Denn Jonathan Kalmanovich, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, hat seit seiner Kindheit erfahren, wie sehr Juden in Deutschland immer noch böswilligen Gerüchten und Anfeindungen ausgesetzt sind. Eine Umfrage unter den Schülerinnen und Schülern zeigte, dass das Wissen über die Vorurteile weit verbreitet ist, sie aber in der Mehrheitsgesellschaft gar nicht so auffallen, zumal auch die meisten keinen Juden persönlich kennen. Dann erzählte er sehr anschaulich von seiner Schulzeit in Berlin, wie Freunde und Mitschüler ihn plötzlich mobbten, sobald sie erfuhren, dass er Jude ist. Das Rappen war für ihn eine gute Möglichkeit, seinen Gefühlen und Emotionen Ausdruck zu verleihen. Obwohl er in der Rap-Szene mit seinem Battle-Rap-Format sehr erfolgreich war, stieß er auch auf offenen Antisemitismus. Um ein Zeichen zu setzen, beendete er seine erfolgreiche Show, veröffentlichte seine Biographie ,,Ben Salomo bedeutet Sohn des Friedens“ und besucht nun in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Naumann-Stiftung Schulen in ganz Deutschland, um Jugendliche für den offenen und versteckten Antisemitismus zu sensibilisieren. Das zeigt er an einigen Beispielen aus der Rap-Szene. Wichtig ist Ben Salomo auch, darauf hinzuweisen, dass Diskriminierungen und Gewalt sich gegen viele Minderheiten richtet. Deshalb appelliert er auch an alle, sich gegen den Antisemitismus und Diskriminierung für eine tolerante Gesellschaft einzusetzen. Denn niemand sollte aufgrund seiner Herkunft oder seines Glaubens schlecht behandelt werden.

Um sich noch mehr über Antisemitismus zu informieren: holocaustremembrance.com

Sara Kortmann, Q11

Besuch des DDR-Zeitzeugen Claus Kurth

Jede Niederlage ist die Chance für einen Neuanfang. – Unter dieses optimistische Motto setzte Claus Kurth die Zeitreise, auf die er die Schüler*innen der Q12 entlang seines eigenen Lebensweges mit sich nahm. Humorvoll und sehr anschaulich zeigte er an verschiedenen Episoden, wie der SED-Staat jede noch so kleine Abweichung von der offiziellen Linie streng sanktionierte und für viele Brüche in seinem Leben sorgte. So musste er z.B. seinen großen Jugendtraum, als Seemann die Welt kennen zu lernen, aufgeben, weil man bei ihm bei einer Kabinendurchsuchung einen Roman aus dem Westen gefunden hatte, was ihm als „versuchte Republikflucht“ ausgelegt wurde. Obwohl er danach als Elektrotechniker beruflich erfolgreich und auch in der Ausbildung tätig war, reagierte das System mit drakonischen Maßnahmen auf abweichende Meinungen, was 1984 zur Verhaftung des Ehepaares und der Einweisung der Kinder in ein Heim führte. Erst der Freikauf durch die BRD ermöglichte der Familie die Ausreise.  Neben seiner emotionalen und berührenden Darstellung des Unrechts in der DDR verstand Herr Kurth es auch, den Schüler*innen durch seine optimistische Art zu zeigen, dass das Leben zwar Tiefen haben kann, die es aber zu überwinden gelte. Abschließend gab der Zeitzeuge den Schüler*innen zu bedenken, dass eine Demokratie abgewählt werden kann, eine Diktatur jedoch nicht.

Gloria Bär, Thomas Kirschner